Das Küken mit den himmelblauen Augen

Eine Mail von Markus: Er schrieb uns folgendes:

Ich kann das Küken mit den himmelblauen Augen nicht vergessen. Hatten Sie schon einmal das Glück, ein Küken in Ihren Händen zu halten? Konnten Sie das weiche Gefieder zwischen Ihren Fingern spüren und den stetigen Herzschlag fühlen? Haben Sie das sanfte Tschilpen gehört und die neugierigen Augen beobachtet, die ihre Umgebung wissbegierig aufzusaugen scheinen? Es ist ein wunderbarer Moment, nicht wahr?

 

Ja, lieber Markus, als Kind durfte ich das Wunder des Lebens erleben, als aus einem Ei ein Küken schlüpfte. Fasziniert saß ich davor und ich konnte ein zaghaftes Klopfen hören und dann brach das Ei an einer Stelle auf. Ein winziger Schnabel pickte die Eierschale von innen immer mehr auf und dann brach das Ei und heraus schlüpfte mit  sichtlicher Anstrengung verbunden, ein zartgelbes Küken. Noch erschöpft von seiner Geburt aber dennoch hellwach schaute es mich an. Ja, ich kenne diese blauen unschuldigen Augen. Es berührte mein Herz in seiner Unschuld. Dann versteckte es sich unter dem warmen Federkleid seiner Mutter.  Aber das war gestern und was ist heute? Freilaufende Hühner und Hennen mit ihren Küken sind zur Rarität geworden. Das Wunder des Lebens wird immer weniger beachtet und das gilt leider für nahezu alle Bereiche was die Tierwelt anbetrifft.  Unsere Welt wird immer kälter werden, wenn wir als Menschheit nicht schleunigst umdrehen. Es ist höchste Zeit das Wunder des Lebens wieder in seiner vollen Größe zu achten, nämlich als das  größte göttliche Geschenk. 

 

Doch wer ist Markus und warum erzählte er mir, Renate,  seine Geschichte?

 

 

Markus Erfahrungsbericht

Heute möchte ich Ihnen von einem Küken berichten, dem ich in einer Hähnchenmastanlage begegnet bin. Ich bin Undercover-Ermittler bei Animal Equality und habe weltweit Missstände in der Tierindustrie aufgedeckt. Meine Aufgabe ist es, die Zustände vor Ort zu dokumentieren. Ich möchte der Öffentlichkeit einen Blick hinter die Kulissen der Massentierhaltung ermöglichen, um Tierquälerei zu stoppen.

Ich stand also in einer riesigen Halle inmitten von Tausenden Küken, als mir eines der Tiere ins Auge fiel. Es bewegte sich nur noch im Kreis – ein Bein nach hinten weggestreckt. Kein untypischer Anblick in einem solchen Betrieb. Viele dieser überzüchteten Tiere leiden an Beinfehlstellungen und können kaum noch laufen. Ich bückte mich und setzte den kleinen Kerl behutsam auf meine Hand. Er war so klein, ich hätte ihn mit meinen beiden Händen wie einen Schneeball umschließen können. Mit seinen klaren, blauen Augen schaute er mich an. Ich trug ihn zu einer Wasserstelle, da er selbst nur noch schlecht laufen konnte und ließ ihn so viel trinken, wie er wollte. Dann setzte ich ihn zurück – ich hatte noch viel zu dokumentieren.

Meine Kollegen brachten Kameras in der Anlage an, damit wir die betriebsüblichen Abläufe in den nächsten Tagen beobachten konnten. Als wir die Kameras wieder abholten, sah ich meinen kleinen Freund mit dem abgespreizten Bein nicht mehr – aber bei Tausenden Tieren pro Halle ist das auch nicht ungewöhnlich. Erst als wir das Filmmaterial der vergangenen Tage auswerteten, gefror mir das Blut in den Adern.

Wir mussten mit ansehen, wie wehrlose Küken, die nicht mehr schnell genug weglaufen konnten, brutal und mit bloßen Händen gegen Metallleisten gequetscht oder totgetreten wurden. Einige wurden sogar lebendig und zappelnd in Mülleimer geworfen und wie Abfall entsorgt.

Animal Equality brachte die Bilder an die Öffentlichkeit und erstattete Anzeige. Gleichzeitig arbeiten wir weiter an unserer fortlaufenden Kampagne gegen die schrecklichen Zustände in der Hähnchenmast.

Ich kann das Küken mit den himmelblauen Augen nicht vergessen. Ich möchte, dass sein Tod nicht umsonst war. 

Mehr darüber und wie man helfen kann hier [weiter]

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