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Die letzte Stunde der Offenbarung

Da ich schon seit Tagen kein Tageslicht mehr erblickt habe, war die Sicht nur noch als eine Erinnerung in meinen Gedanken vorhanden.

Verwirrt und allein wanderte ich durch diese unwirkliche schwarze Nacht und kein einziger Laut war zu hören. Plötzlich zischte es und ich verspürte einen unangenehmen klammen Eiswind, der mir durchs Gesicht geblasen wurde, sodass ich für kurze Zeit noch nicht einmal mehr vermochte zu atmen. Es staute sich die eiskalte Luft in mir und ich stürzte zu Boden. Unsagbare Schmerzen, die ich verspürte, waren es, die mich in eine auswegslose Lage brachten. Schmerzen und abermals Schmerzen strahlten durch meinen ganzen Körper.  



Durch die eisige Kälte waren meine Arme und Beine nur noch kraftlos und steif.

In meiner linken Brust verspürte ich ein Stechen, das sich anfühlte, als ob jemand langsam, sehr langsam mit einem spitzen Gegenstand in mich hinein bohrte, immer und immer wieder. Mich überkam eine große Hoffnungslosigkeit, die in Sekundenschnelle in mir hereinbrach. Jetzt, da ich am Boden zerstört war und um mein Leben kämpfte, tat ich das, was ich noch nie in meinem Leben zuvor getan hatte: Ich betete zu Gott und bat ihn, mir in dieser schweren Schicksalsstunde bei zu stehen.

 

Ich hatte früher von vielen anderen Menschen, die ich in der Öffentlichkeit verhöhnt und verlacht habe, vernommen, dass Gott jedem zur Seite steht, wenn man an ihn glaubt. Sie sagten, das in der Tiefe des Glaubens Gott verankert ist und er nur dort das Wunder vollbringt, das von vielen Menschen als nicht existierend abgetan wurde. Ein Wunder, das es nur in Märchen gab, ein Wunder, das sich nur in unserer Fantasie abspielt. Mir blieb nichts anderes übrig als zu beten und an dieses Wunder zu glauben, denn mein Körper war nur noch eine Hülle und schon so gut wie dem Ende nahe. Das einzige was ich noch besaß war mein Geist und mein inneres schmerzendes Sein, das um Hilfe flehte.

 

Erbärmlich und jämmerlich kroch ich durch den kalten Schnee. Ich war allein mit mir und meinen unvorstellbaren großen Ängsten. Ich wusste, dass die Stunde der Wahrheit für mich gekommen war. Aus dieser Erkenntnis heraus wurde mir eines ganz klar und deutlich: Ich hatte versagt, was den Sinn meines Lebens anbetraf. Ich hatte Schande über mich gebracht durch ein Leben ohne Liebe, fern von Gott. Nun war ich nicht mehr als ein kleiner Wurm, der auf der kalten Erde dahinkriecht. Die Angst, die ich jetzt verspürte und die sich in meinem ganzen Körper ausbreitete, fühlte sich haargenau so an, als ob ich im Dunklen sitzen würde und keiner mehr mich sieht und mir die Hand reicht, damit ich aus dem Dunklen entfliehen konnte.

 

Einsam und allein gelassen sah ich meinem Schicksal tapfer entgegen, aber dennoch übermannte mich eine unvorstellbare große Angst, die mich in meiner Not noch mehr beugte und erniedrigte und gleich dem Winseln eines Hundes jammerte ich vor mich hin und schrie um Erbarmen. Da erkannte ich nur noch mehr, wie ich all die Jahre nach Außen den Großen gespielt habe, während mein wahres Sein einfach nur jämmerlich klein war. Die Wurzel allen Übels, der Hochmut, überschattete mein wahres Sein nach außen. Das Gegenteil von mir blieb in mir verschlossen und verkümmerte. Wie habe ich nur alles in mir überspielt und falsch abgelichtet, damit ich nach außen etwas darstellte, um mich hervor zu heben. Leider bemerkte ich dabei nicht, wie sehr ich mich immer mehr von mir entfernte und mich ins falsche Licht rückte, das mich nur noch mehr blendete und die wahre Sicht des Lebens von mir fern hielt.

 

Zu meinem Entsetzten kam jetzt noch eine dicke Nebelwand auf und ich konnte noch nicht einmal mehr die Hand vor meinen Augen sehen. Aber das war mir in meiner Situation vollkommen gleichgültig, denn ich hatte schon zuvor innerlich mit meinem Leben auf dieser Erde abgeschlossen. Als es dunkel um mich wurde und die Sonne vom Horizont wich, war mir bereits klar, das mein Leben in dieser Zeit, das letzte war, das ich hier beenden würde. Mir war nur noch nicht in diesem Augenblick bewusst, wie sehr ich in dieser letzten Schicksalsstunde leiden würde. Ich haderte mit mir selbst, das ich nicht auf die Vorboten gehört hatte, die meinten, das der göttliche Funke des Allgeistes in uns Menschen sei, der uns alle aus unserer Not befreien könnte, wenn wir uns wieder in uns vereinen und unseren Glauben fest in uns verankern würden. Die Liebe sei die Kraft und die Allmacht aus der alles heraus entstehen würde.

Zur damaligen Zeit konnte ich nicht verstehen, was Ihre Botschaft aussagen wollte, aber jetzt öffnete sich in mir eine verborgene Tür und ich konnte plötzlich meine innere Stimme wieder wahrnehmen, die ich zuvor so oft überhört hatte, da ich nur noch nach der äußeren Gesellschaftsform mein Leben gestaltet hatte und mich zu oft habe beeinflussen lassen.

Mein wahres Gefühl über das Leben, das ich persönlich lieber hätte führen wollen, ignorierte und vernachlässigte ich, zugunsten des Prestigegehabes, das ich nach außen darstellen wollte.

 

Die jetzige erschütternde Offenlegung meines Lebenswandels entrieß mir meine Starrsinnigkeit und meinen falschen Stolz. Das alles habe ich in dieser Schreckenszeit hinter mir gelassen und ich bin nicht mehr derjenige, der ich einst war. Nein, ich wurde in mir gebrochen und mein wahres Gesicht kam zum Vorschein und ich zeige es in meiner jetzigen Situation, in der ich mich jetzt befinde.

 

Die Zeit des Umbruchs ist durch die Sonnenwende eingeläutet worden. Sie verschloss nicht nur den Weg in die Freiheit, sondern sie verschloss auch mein Herz, das ich in jener Nacht verloren hatte. Grausames Entsetzen loderte in meinem Gesicht und meine Augen spiegelten die Leere der Hoffnungslosigkeit wieder. Wenn es nicht so dunkel und so nebelig gewesen wäre, hätte sich selbst die Nacht vor mir gefürchtet, und alleine diese Vorstellung über mich selbst machte mir noch mehr Angst, als ich sie zuvor schon hatte. Meine Schreie nach Erbarmen wurden immer leiser und kraftloser, da mich die Kälte dazu zwang, langsam aber sicher zu verstummen und unbeweglich zu werden. Mir blieb jetzt nichts mehr anderes übrig als meine Gedanken nur noch auf ein einziges Ziel zu richten, dass da lautete: „Ich will mit mir selbst ins Reine kommen“. Ich wandte mich mir zu und redete mit mir, als ob ich mit einem fremden Menschen kommunizieren würde, denn soweit habe ich mich schon von mir persönlich entfernt und mir wurde abermals bewusst, das ich eine andere Persönlichkeitsform, als meine ursprüngliche, angenommen hatte.

Mir blieb nichts mehr anderes übrig als zu weinen und in Selbstmitleid zu versinken. Hätte ich eine Möglichkeit gehabt anders aus dem Leben zu scheiden, so wäre ich einen anderen Weg gegangen und hätte diesen vollendet. Dies war jetzt aber mehr oder weniger nur noch ein letzter Wunsch, der niemals in Erfüllung gehen konnte, da ich keinen anderen Ausweg aus dieser misslichen Lage erahnte oder mir vorstellen konnte.

 

Ich sprach zu mir selbst und erbat mir einen letzten Gefallen: Ich will nicht länger leiden und sofern es einen Gott gibt, der in mir ist, bitte ich dich, mich in dieser schweren Stunde zu erhören und mein Wort zu empfangen, auf das ich ins Licht empor steige, damit die Kälte aus mir heraus gezogen wird, die sich in meinem Körper eingeschlichen hat, wie ein Dieb in der Nacht, um meine Seele zu rauben, damit sie qualvoll dahinsiecht und ins Dunkle hinabfällt. In eine dunkle Schlucht aus der keiner entrinnen kann, der sich dort einmal befindet. Genauso kam ich mir jetzt vor, gefangen in meinem Leid und in meinen Schmerzen, die mir unendlich erschienen, aber es waren nur Minuten, die mir wie Tage vorkamen. Ich vertiefte meine Gedanken immer und immer wieder nur auf eines, auf mich selbst und auf die Macht der wahren Liebe, die mit Gott verbunden ist.

 

Denn diese Worte, die einst ein junger Mann vor einer großen Menschenmenge ausgesprochen hatte, um uns alle vor diesem Leid, das ich jetzt in mir verspüre und in meinem Leib erlebe, zu bewahren, waren meine letzten Erinnerungen vor der Zeit der Wende, dieses unbeschreiblichen Grauens. Er sprach immer wieder von der inneren Befreiung und der darauf folgenden äußeren Freiheit, die ein jeder erleben wird, der sich wieder an die vollkommene Macht der Liebe anschließt und an seine innere göttliche Führung unerschütterlich glaubt, denn gemeinsam mit Gott ist alles möglich! Aber dazu bedarf es ebenfalls, da Gott reine Liebe ist, sich dieser wieder zu nähern, sei es zu sich Selbst oder sei es zu seinem Nächsten. Mir blieb nichts mehr anderes übrig, als diese Worte, die in mir schlummerten, ernst zu nehmen und daran tief in meinem Herzen zu glauben, oder zu kapitulieren in meiner aussichtslosen Lage und meinen bevorstehenden Tod zu akzeptieren.

 

Mein Herz pochte nur noch sehr schwach und meine Gliedmaßen waren schon vor lauter Kälte dem Erstarren nahe, aber ich konzentrierte mich auf mein Innerstes und suchte den sogenannten Gott in mir, der so oft schon verkündet wurde. Meine Gedanken waren nicht von Zorn oder Zweifeln befallen, nein, ich hatte den Glauben in mir wieder gefunden, und befreite mich dadurch von meinen Ängsten, die mich innerlich zerrissen und mir ein Gefühl des ausgeliefert zu sein übermittelten.

 

Durch meinen Glauben überwand ich die erste Schreckens-Hürde und ging in die Liebe in meinem Herzen über. Ich verspürte einen Funken Wärme und innerliche Ruhe in mir, die sich langsam in meinem ganzen Körper ausbreitete, als ich in die Tiefe meines Seins hinabstieg, um mich mit meinem Zentrum, in dem die Liebe ruht, zu verbinden. Ich nahm jetzt in dieser Mitte meine innere Stimme wahr, die mir neue Lebenskraft und Mut verlieh, indem sie mir folgende Worte entgegen brachte: „Du hast den Weg zu mir gefunden, und die Mauern, die mich gefangen hielten, beiseite geräumt, auf das ich dir wieder neues Leben einhauchen kann.

 

In mir brodelte es, wie ein kleines Erdbeben, nachdem ich den göttlichen Geist vernommen hatte. Alsbald sah ich im gleichen Augenblick vom Himmel einen roten Strahl auf mich zu kommen, der direkt vor meiner Nase in den schneebedeckten Boden wie Butter hineinströmte. Es ertönte im gleichen Augenblick in der Tiefe des Gesteins ein dumpfer Knall und die Erde unter mir bewegte sich wellenförmig nach oben und nach unten. Es machte den Anschein, als ob jemand aus der Tiefe nach oben steigen würde. Und so war es auch, ich sah vor mir eine rot-weiße Lichtwolke empor steigen, die um mich herum tanzte und trotz der äußerlichen Kälte die ich vernahm, spürte ich eine angenehme Wärme, die meinem Körper neues Leben einhauchte. Ich spürte wieder meine Gliedmaßen und war in der Lage meine Finger und Füße zu bewegen, mein Atem stabilisierte sich und mein Herz, das zuvor von einem innerlichen Energie-Strom wiederbelebt wurde, schlug wieder im gleichmäßigen Rhythmus. Meine zuvor noch tauben Ohren vernahmen nun wieder das Umfeld und ich hörte eine liebliche Stimme, die von sinnlicher Musik begleitet wurde. Einfühlsam und zärtlich umschloss mich diese wunderbare Stimme, die Gesangs ähnlich zu mir sprach. „Adrian erwache“.

 

Daraufhin, nachdem ich meinen Namen hörte, öffnete ich meine Augen und konnte kaum erkennen was ich vor mir erblickte. Es sah aus, als ob eine blau-weiß schimmernde Gestalt vor mir schwebte. Ich erschrak kurzweilig als ich wahrnahm, das diese zu mir sprach: „Erlebe deinen Glauben, denn durch deinen tiefen Glauben hast du dieses Geschehnis überwunden, das über dich hereingebrochen war, gleich einem Sturm der dich ins Dunkle schleuderte und fern vom Licht hielt. Aber nun hältst du wieder das Licht in deinen Händen. Halte es fest!

 

Ich schüttelte meinen Kopf um klarer in mir zu werden und noch genauer zu erblicken was sich vor mir befand aber bevor ich dieses richtig wahrnehmen konnte, löste sich die Gestalt auf und wich wieder zurück in die Tiefe der Erde. In diesem Augenblick war ich wiedergeboren, gerettet durch meinen Glauben, heimgekehrt in die Arme der wahren Liebe.

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